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Typisch deutsch!
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Typisch deutsch!

Der Umbau des Sozial- und Wirtschaftssystems ist in vollem Gange - wohin aber soll die Reise gehen?
brandeins stellt Visionen für morgen zur Diskussion.

Text: Jürgen Fuchs

Sind die Deutschen spießig, langweilig, öde, wandlungsunfähig?
Oder hat man ihnen das nur eingeredet?
Die Zukunft kann in der Herkunft liegen - und die Erinnerung beim Aufbruch helfen.

----- Zu Beginn des 21. Jahrhunderts saßen die Deutschen wie Raupen in ihren Kokons. Sie jammerten über die Fesseln ihrer Richtlinien und Vorschriften. Aber sie hatten nicht den Mut, sie zu zerreißen. Sie stöhnten über die Last der Steuern und Abgaben. Aber sie hatten nicht die Kraft, sie abzuwerfen. Sie klagten über die Diktatur der Bürokraten. Aber sie hatten nicht das Selbstbewusstsein, sie fortzujagen. Sie litten sehr. Aber sie litten auf hohem Niveau.

Die Deutschen sahen sich selbst als Raupen, die geboren waren zu kriechen. Als Untertanen. Und wenn sie entdeckt wurden, dann hörten sie immer den Schrei: "Igitt, eine Raupe!" Schließlich hatten sie so viel Angst, dass sie anfingen zu spinnen. Jeder seinen eigenen Kokon, und alle zusammen einen riesengroßen - aus Bürokratie und Sicherheitsvorschriften, aus Richtlinien und Versicherungspolicen.

Daimler, Benz, Krupp, Otto, Maybach, Linde, Siemens, Bosch - sie alle fielen nicht vom Himmel

Endlich blieb die böse Welt draußen. Jetzt konnte nichts mehr passieren. Und tatsächlich passierte auch nichts mehr. Es wurde dunkel und ganz still. Es war zwar eng, aber auch schön bequem. Bei so viel Faulheit begann es schließlich überall zu faulen. Und das Gejammer wurde immer stärker.

Dieses Klagen und Stöhnen hörte ein großer bunter Schmetterling. "Typisch deutsch!", dachte er. Doch dann besann er sich. Er war ja selbst mal eine Raupe gewesen, und die Deutschen waren schon mal Schmetterlinge!

Immer wieder sind sie aus ihren Kokons ausgebrochen und haben ihre ganze Pracht als Schmetterlinge ausgebreitet: Als Dichter und Denker, als Ärzte und Philosophen, als Erfinder und Unternehmer. Vor 120 Jahren zum Beispiel zeigten die Deutschen in den "Gründer-Jahren", was in ihnen steckt: an Erfindergeist und Unternehmerqualitäten. Persönlichkeiten wie Daimler und Benz, Krupp und Otto, Maybach und Linde, Siemens und später Bosch waren Symbole einer Aufbruchstimmung. Und deutsche Naturwissenschaftler überwanden vergangene Weltbilder. Max Planck, Heinrich Hertz, Wilhelm Conrad Röntgen, Robert Koch und später Albert Einstein sind nur einige Forscher, die Deutschland den Ruf von Innovation und Aufbruch einbrachten.

Gute 60 Jahre davor, erinnert sich der Schmetterling weiter, begannen sich die Deutschen nach dem Vorbild der französischen Revolution von der Last der Adelsherrschaft zu befreien. 1817 zogen hunderte von Studenten auf die Wartburg, und am 27. Mai 1832 folgten beim Hambacher Fest 30000 Menschen der schwarz-rot-goldenen Flagge mit der Aufschrift "Deutschlands Wiedergeburt". Schwarz stand für die Dunkelheit, in der man damals lebte, Rot für das Blut, das man bereit war zu vergießen, und Gold für die aufgehende Sonne der neuen Freiheit.

Goethe hatte Weimar zum Zentrum der Weltliteratur gemacht. Und Schiller hatte seinen Don Carlos das aussprechen lassen, was viele Freigeister dachten: "Geben Sie Gedankenfreiheit! Geben Sie, was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie von Millionen Königen ein König. Ein Federzug von dieser Hand, und neu erschaffen wird die Erde." Das Bild des Untertan wurde verbannt.

Auch in der Musik war Aufbruchszeit. Beethoven, Schumann, Weber, Mendelssohn Bartholdy oder Liszt schenkten der Welt einen neuen Klang. Deutschland öffnete das Tor zur Romantik, für die der Mensch das Geschöpf Gottes war - im Einklang mit der Natur und seiner persönlichen Freiheit.

Und 1823 feierte Köln den ersten Karneval.

In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts explodierte der Unternehmergeist in Deutschland - auf der Basis des neu erwachten Nationalstolzes im zweiten deutschen Kaiserreich. Der Weg führte ins tiefste Dunkel, aber nach 1945 waren wieder Unternehmertum und Einfallsreichtum gefordert, allerdings nicht aus Nationalstolz, sondern aus Überlebenswillen. Das Ergebnis ging als "Wirtschaftswunder" in die Geschichte und sogar in den anglo-amerikanischen Wortschatz ein.

Diese Gedanken machen den Schmetterling richtig wütend. "Gejammert ist genug!", ruft er den Raupen zu. "Die Zeit ist reif - für einen Durchbruch des Kokons und einen Aufbruch in die schöne, bunte Welt der Schmetterlinge."

Mit wildem Flügelschlag ruft er den Raupen zu: "Befreit euch von den Bürokraten und Funktionären. Die stehlen euch eure Eigenverantwortung! Der Staat nennt es Fürsorge, aber er will nur Macht über euch. Er nimmt euch all euer Geld, bis ihr nicht mehr selbst für euch und eure Lieben sorgen könnt. Dann seid ihr abhängig von ihm und seinen Funktionären. Die müsst ihr dann um jedes Almosen bitten.

Wo bleibt euer Stolz?

,Gebt dem Staat, was des Staates ist', sagte schon Martin Luther: ,den Zehnten!' 50 Prozent sind zu viel. Erhöht euer Nettoeinkommen und führt den Zehn-Prozent-Staat ein: Zehn Prozent Staat sind genug, zehn Prozent der Gesetze, zehn Prozent Einkommenssteuer und zehn Prozent Sozialabgaben. Das reicht!

Stoppt die anonyme Zwangs-Solidarität und aktiviert wieder die persönliche Beziehungs-Solidarität in Familie und Gemeinde. Mit eurem höheren Gehalt könnt ihr für euch selbst, für eure Familie und auch für eure Eltern sorgen. Und ihr könnt euren Freunden und Nachbarn helfen, wenn die in Not geraten. Der Staat hat euch die Freude am Helfen gestohlen. Holt sie euch wieder zurück!

Ein Staat, der so sozial ist, euch alles zu geben, was ihr wollt, dieser Staat ist auch so unsozial, euch alles zu nehmen, was ihr habt: euer Geld, eure Freiheit und euren Stolz!"

Wir sind der Staat. Sprengt den Panzer des Egoismus. Und spreizt die Flügel!

Jetzt ist der große bunte Schmetterling so richtig außer Atem. Aber es hat gewirkt! Die ersten jungen Schmetterlinge brechen aus ihrem Kokon. Die richten sich auf und befreien sich von ihren Sicherheitsängsten. Sie zerbeißen die Richtlinien und streifen sich die Fesseln ab. Mit lauten Rufen "Wir sind der Staat!" und "Zehn Prozent sind genug!" verjagen sie die Bürokraten, Funktionäre und Bedenkenträger. Dann sprengen sie noch ihren Panzer des Egoismus und entfalten ihre prächtigen Flügel. Mit kräftigem Flügelschlag verscheuchen sie die ewigen Bremser und schicken sie zurück in den Staub ihrer Amtsstuben. Vor lauter Stolz, Kraft und Selbstbewusstsein leuchten ihre Augen und ihre bunten Flügel.

Dieses Vorbild macht Mut. Erst zehn, dann hundert, dann tausende und schließlich Millionen Deutsche kommen in Bewegung. Ein wirklich buntes Treiben erschüttert den riesigen Kokon Deutschland.

Endlich bricht er auf. Ein großartiges Bild. Millionen von Schmetterlingen fliegen in die Freiheit, an das Licht der Sonne: die neuen Gründer-Jahre? Das neue Wirtschaftswunder? Nein, eine neue Dimension. -----|

Zusatzinformationen:

Jürgen Fuchs ist Mitglied der Geschäftsführung des IT-Beratungsunternehmens CSC Ploenzke AG. Nach dem Studium der Mathematik, Physik und Philosophie war er zehn Jahre bei der IBM tätig, bevor er zu Ploenzke ging. Fuchs ist Autor mehrerer Bücher, u. a. Manager, Menschen und Monarchen (1995), Produktionsfaktor Intelligenz (2001), Das Märchenbuch für Manager (2003).

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