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Kommen und Gehen:

Rüdiger Dahlke zur 13. Konferenz Humanistische Medizin
Anfang und Ende sind die entscheidenden Knackpunkte bei jedem Film und Roman und sind es auch im Leben. Der erste Eindruck ist der wichtigste, weiss der Volksmund, im Anfang liegt alles, weiss die spirituelle Philosophie und die Liebe auf den ersten Blick hält man gemeinhin für eine ganz besondere. Morgenstund hat Gold im Mund, erkennt das Sprichwort, aber das Abendrot wird noch mehr bewundert und weniges wird wohl öfter fotografiert. In jedem Ende liegt schon ein Neuanfang, wissen die Traditionen. Könnte es sein, dass moderne Menschen den Sonnenuntergang so faszinierend finden, weil sie sich hier wenigstens noch stellvertretend mit dem Sterben, dem Vergehen des Tages auseinandersetzen können.

Wir können uns also auf ganz verschiedenen Ebenen rasch darüber einigen, wie wichtig Anfang und Ende generell bei allen Unternehmungen sind. Das ist auch bei unserem Leben so, obwohl wir es gerade da so sträflich ignorieren und dafür auch bitterer bezahlen, als wir uns in der Regel träumen lassen. Insofern ist ein Glück, dass diese Konferenz, die schon soviel bewegt und angestossen hat, sich nun diesen zu Unrecht vernachlässigten Eckpunkten des Lebens widmet und ihnen damit Gewicht gibt.

In unserer schnelllebigen Zeit nehmen wir uns oft für Anfang und Ende gar keine Zeit mehr oder ignorieren sie. Der Urlaub beginnt für viele Menschen im Stau, wo der dann vier Wochen später auch wieder endet. Bei Seminaren kommt immer derselbe Typ von Menschen zu spät und reist dafür auch schon früher wieder ab - mit der Methode war er bald überall und doch nirgendwo.

Bei Anfang und Ende des Lebens kann es nicht anders sein. Über Jahrhunderte hat die männlich dominierte Medizin Schwangerschaft und Geburt zu einem Martyrium für die Betroffenen gemacht, sie in Krankenhäuser verlegt und wie Krankheitsbilder behandelt. Erst die französische Gynäkologie hat unter ihren Vordenkern Leboyer und Odent hier für Erleichterung gesorgt und ihr ist es wesentlich zu danken, wenn wir heute wieder von einem Fest der Geburt sprechen können. Während ich zusammen mit meiner Frau und dem Gynäkologieprofessor Volker Zahn "Der rechte Weg ins Leben" schrieb, wurde uns sehr deutlich, dass die davor liegende Zeit der Empfängnis und Frühschwangerschaft sogar noch ungleich wichtiger ist, denn in dieser frühen Zeit entwickelt sich das Urvertrauen, die spätere Basis allen Selbstvertrauens. Wenn diese Konferenz diesem Thema Beachtung und Aufmerksamkeit bringt, wird sie etwas Wundervolles bewirken - für viele Menschen, die heute noch gar nicht geboren sind.

Ähnlich wie um den vergessenen Anfang stand es lange Zeit um das ebenso ignorierte Ende. Es ist kein Geheimnis mehr, dass in modernen Zeiten Sterben in vielen Großkliniken zu einem Problem für alle Beteiligten geworden ist. Das Engagement von Elisabeth Kübler-Ross und der Hospizbewegung haben hier wenigstens für Aufmerksamkeit gesorgt. Aber das Drama des Sterbens steht noch immer als große Herausforderung und Chance vor uns. Die Zusammensetzung der Rednerliste der kommenden Konferenz lässt hoffen, dass sich auch hier am anderen Ende des Lebens etwas bewegen lässt.

Letztlich liegen Kommen und Gehen so nah beieinander, es geht um dieselbe Tür, die wir nur aus entgegengesetzten Richtungen benutzen. Da wir alle zuerst Kommen dürfen und dann erst gehen (müssen), kennen wir sie eigentlich immer schon wenn es einmal soweit ist.

Von Dr. Rüdiger Dahlke